Eigentlich sollte Clemens Neumaier am Freitag in der vergangenen Woche als Gesamtkommandant der Steinacher Feuerwehr verabschiedet werden. Aufgrund der Ausbreitung des Coronavirus wurde die Hauptversammlung jedoch abgesagt. Im Gespräch mit dem Offenburger Tageblatt blickt er auf die Jahre als Feuerwehrkommandant zurück und verrät, wie sich die Absage personell auswirkt.
Was war Ihre Motivation, in die Feuerwehr einzutreten?
Wir waren vier junge Kerle vom LCS (Latschary-Club Steinach) und haben überlegt, was wir zusammen machen könnten. Damals galt ja noch: wenn man in die Feuerwehr geht und sich zehn Jahre verpflichtet, wird man vom Wehrdienst freigestellt. Wir haben es uns dann mal angeschaut bei der Feuerwehr und sind dort hängen geblieben. Wir waren eine gute Clique, es hat Spaß gemacht. Vor allem das technische Know-How hat uns fasziniert .
Wie ging es dann weiter?
Ich habe mich ganz gut angestellt und wurde dann nach der normalen Ausbildung gefragt, ob ich Gruppenführer werden möchte. Anschließend kam der Zugführer und 1995 wurde ich zum stellvertretenden Abteilungskommandanten gewählt. 2005 wurde ich dann Kommandant und Wolfgang Giesler mein Stellvertreter. Wir beide sind zusammen in der Wehr groß geworden. Es war viel Arbeit, aber ich habe es gern gemacht.
2005 wurde auch die Jugendfeuerwehr gegründet. Wie kam es dazu?
Bei der Übernahme 2005 waren wir gerade einmal 39 Aktive. Wir hatten unter meinem Vorgänger schon damit geliebäugelt, doch es hieß immer: Der Aufwand ist riesig, gegenüber dem was hängen bleibt. Als ich übernommen habe, hatte ich vier Freiwillige, die sich bereiterklärt hatten, es zu übernehmen. Die Jugendfeuerwehr wurde damals auch noch bezuschusst mit 3000 Euro. Damit konnten gleich 15 Jugendliche eingekleidet werden. Wir hatten also nichts zu verlieren. So wurde die Jugendfeuerwehr 2005 ohne Risiko gegründet, und mittlerweile könnte ich es mir ohne gar nicht mehr vorstellen. Seit der Gründung der Jugendfeuerwehr hatte ich noch einen Quereinsteiger – ansonsten kamen alle Neuzugänge aus der Jugendfeuerwehr. Inzwischen haben wir in der aktiven Wehr einen Stamm von 48 und mit denen, die in der Jugendfeuerwehr noch hinten dran sind, brauchen wir in den kommenden Jahren keine Angst zu haben, dass es personell klemmt. Wir sollten eine Sollstärke von 40 Feuerwehrleuten haben.
Hat die Steinacher Wehr auch genügend Leute vor Ort, um die Tagesverfügbarkeit zu gewährleisten?
Da sind wir sehr gut aufgestellt. Wir haben 15 Feuerwehrleute, die in Steinach arbeiten und in den umliegenden fünf Kilometern nochmal neun. Auch da brauchen wir uns für die nächsten Jahre keine Sorgen zu machen. Ich bin froh, dass das Interkom gekommen ist und über jeden Betrieb, der Feuerwehrleute einstellt. Wir haben Paschal, den Steinbruch, das Interkom, wo wir unsere Leute abrufen und dann noch ein paar Selbstständige in Steinach selbst.
Können Sie sich an Ihren ersten Einsatz erinnern?
Der erste richtige Einsatz in meiner Zeit als Kommandant war in der Silvesternacht 2006. Nachts um halb zwei dachte ich, jetzt wird alles gut sein. Ich habe dann gerade ein Glas Sekt angesetzt, als der Pieper losgegangen ist. Wir dachten zuerst an einen Fehlalarm, aber es handelte sich um einen Hausbrand und der war intensiv. Im Schopf neben dem Haus befand sich eine Trafostation des E‑Werks Mittelbaden. Der Brand brach dort aus und griff aufs Haus über. Wir wussten nicht was los ist und hatten den Brand plötzlich nicht mehr unter Kontrolle. Mit Wasser konnten wir nicht dran, weil es gefunkt hat. Deshalb mussten wir zunächst das E‑Werk verständigen, damit sie den Strom abschalten. Man hat gesehen, wie sich das Feuer unter der Hauswand in Richtung Dach ausgebreitet hat. Wir mussten das Dach abdecken. Das war eine Riesen-Aktion bis morgens gegen 4 Uhr. Wir haben die ganze Nacht Brandsicherheitswache gehalten, die Familie musste irgendwo untergebracht werden. Ich hab dann gesagt, so darf es nicht weitergehen.
Wie klappt die Zusammenarbeit mit der Abteilung Welschensteinach?
Sehr gut. Wir sind in den vergangenen Jahren zusammengewachsen. Sprüche wie: „Das ist unser Feuer, ihr braucht gar nicht erst zu kommen“ hat es die letzten 15 Jahren nicht mehr gegeben. Auch unsere Ausschusssitzungen bekommen wir inzwischen allein geregelt – früher musste vielmals der Bürgermeister dabei sein, weil sonst nichts ging. Da bin ich schon stolz darauf, dass wir die Wehren inzwischen zusammengeführt haben. Wir hätten den Fuhrpark, den wir in der Gesamtwehr haben, sonst auch gar nicht so genehmigt bekommen. Wir haben beschlossen, Fahrzeuge ergänzend zueinander zu kaufen. Wo diese letztlich stehen, war mir als Kommandant egal. Hauptsache, ich kann sie innerhalb der Wehr abrufen. Ich kann mir vorstellen, dass die Zusammenarbeit unter der neuen Führung noch enger wird. Die beiden neuen Abteilungskommandanten sind ja zusammen in der Jugendfeuerwehr groß geworden.
Was war der Grund, weshalb Sie beschlossen haben, als Kommandant aufzuhören?
Es ist ein Amt mit viel Verantwortung – und ich brauche mich nicht daran festzuhalten. Als Markus Decker die Jugendfeuerwehr übernommen hat, hat man schon gemerkt, dass er ein fähiger Mann ist. Deshalb war das schon früh absehbar. Vor fünf Jahren wollte mein Stellvertreter aufhören. Da habe ich ihm angeboten, den Posten zu übernehmen, in das Amt des Kommandanten hineinzuwachsen und dann meine Nachfolge zu übernehmen. Für die Wehr ist es auch gut, wenn ein Junger nachkommt. Der hat wieder andere Ideen und ist ganz anders motiviert. Ich bin ja immer noch in der Feuerwehr, gehe bei Einsätzen mit und bringe meine Erfahrung ein.
Jetzt sind Sie allerdings länger Kommandant als erwartet . . .
Das ist kein Problem. Ich bin Gesamtkommandant, bis die Wahl stattfindet, Markus Decker ist ja bereits Abteilungskommandant. Dadurch habe ich jetzt schon weniger Arbeit. Genauso geht es Bernhard Obert, der bis zur Wahl noch stellvertretender Gesamtkommandant ist. Wir warten nun, bis wir einen neuen Termin finden, um unsere Hauptversammlung zu veranstalten. Und dann werden die Ämter ganz normal abgegeben. Wann das sein wird, weiß noch keiner – aber das werden wir auch noch schaffen.
Wie ist es für Sie, zu einem Feuer zu kommen und zu sehen, wie das ganze Lebenswerk von Menschen nieder brennt?
Für uns ist es zunächst wichtig, ob alle Menschen draußen sind. Danach geht es um die Tiere, danach um Hab und Gut. Wir haben unsere Staffel die wir abarbeiten – das ist für jeden Einsatzleiter wichtig. Ich kann mit vorstellen, dass es für eine Familie schlimm ist, wenn sie Erinnerungsstücke verliert. Wirtschaftlich hab ich es kaum erlebt, dass es jemanden nach einem Brand schlechter gegangen ist. Gerade bei uns im Dorf war die Hilfsbereitschaft immer groß. Aber die persönlichen Erinnerungen kann einem niemand mehr zurückbringen. Es gibt allerdings Einsätze, die einem immer im Gedächtnis bleiben werden, zum Beispiel die beiden größten Brände während meiner Zeit als Kommandant: im Steinbruch und im Sägewerk Meßmer oder auch wenn es Todesfälle gegeben hat.
Gibt es in solchen Fällen psychologische Betreuung für die Einsatzkräfte?
Ja, für uns gibt es Notfallseelsorger in der Feuerwehr. Die können wir anfordern. Ich muss sagen, das haben wir beim ersten Mal nicht gemacht. Da war ein schwerer Unfall beim ehemaligen „Café Schick“ vor 23 Jahren. Es gab zwei Tote – der Fahrer war 18, der Beifahrer 17, er kam aus Steinach. Es war abends gegen 21 Uhr. Die beiden sind mit überhöhter Geschwindigkeit von Haslach runter gefahren, nach Steinach rein, an einem Linienbus entlang gestreift und das Dach wurde aufgeschlitzt. Der Fahrer war sofort tot. Beim Beifahrer haben sie noch versucht, ihn wiederzubeleben, konnten ihn aber nicht mehr zurückholen. Das weiß ich noch, als ob es gestern gewesen wäre. Damals haben wir den Fehler gemacht, dass wir nicht darüber geredet haben. Jeder lag dann mit Sicherheit daheim und konnte nicht schlafen.
Wie läuft so etwas heute ab?
Inzwischen machen wir es so, dass das Gerätehaus aufgemacht wird. Es gibt Kaffee, ein Bier – ganz egal was, Hauptsache es wird darüber geredet. Und wenn jemand psychologischen Bedarf hat, wird auch die Notfallseelsorge angefordert. Bislang war das dreimal der Fall, und wir hoffen, dass es nicht mehr erforderlich wird. Aber meiner Meinung nach geht es uns immer noch besser als den Welschensteinachern, die zwar auch zu Verkehrsunfällen ausrücken, aber selbst keine eingeklemmten Personen retten können. Ich hoffe, das sich das unter dem neuen Kommandanten ändert und sie sich zukünftig auf Schere und Spreizer ausbilden lassen.
Warum?
Wenn man zu einem Unfall kommt, Personen im Auto schreien hört und man nicht helfen kann – das fühlt sich noch schrecklicher an, glaube ich. Wenn man etwas machen kann und so lang die Abwicklung des Unfalls läuft, hat man keine Zeit nachzudenken. Da sind wir dran, dass die Welschensteinacher künftig auch einen Rettungssatz mitnehmen – gerade wegen der unfallträchtigen L 103 zum Geisberg. Die nächste Rettungsschere gibt es erst in Seelbach. Das ganze Schuttertal hat keine. Für den Probebetrieb sind die technischen Hilfeleistungen zudem eine Bereicherung.
Inwiefern?
Wenn man die Proben interessant halten will, bietet die Autoindustrie durch die ständigen Neuentwicklungen immer wieder Abwechslung. Das bereichert den Probebetrieb enorm. Das ist unser Vorteil gegenüber dem Roten Kreuz. Wir können die Jugendlichen mit Technik begeistern.
Gibt es durch neue Technologien wie Elektroarbeit auch Unterschiede beim Vorgehen der Feuerwehr?
Ja klar. Man muss wissen, woran man ein Elektroauto erkennt – daran, dass es keinen Auspuff hat. Bei Hybridfahrzeugen ist es etwas schwieriger. Aber sobald man an einem Auto ein orangenes Kabel sieht, weiß man: Achtung, Elektro. Beim Elektroauto gibt es einen Batteriekasten unten drin. Wenn der angeschlagen ist, bekommt man den Brand nicht mit Wasser aus. Es gibt eine sogenannte Redbox – da kann man das Auto hineinstellen und sie mit Wasser auffüllen. Und dann kann man nur froh sein, wenn keine Personen im Wagen waren. Aber Gott sei Dank gibt es das ganz selten. Das Thema Batterie ist für uns alle noch Neuland.
Aufgrund der Corona-Pandemie finden derzeit ja keine Proben oder Dienstabende statt – könnte das im Ernstfall zum Problem werden?
Ja, der Probebetrieb ist nach jetzigem Stand bis zum 17. April abgesagt. Unser Know-How ist aber so groß, dass wir das überbrücken können. Wir lassen das neue Fahrzeug jetzt erst einmal stehen und greifen auf das alte mit der vertrauten Technik zurück. Schlimmer wäre es, wenn sich einer anstecken würde und deshalb alle nicht ausrücken könnten.
Werden während eines Einsatzes Vorsichtsmaßnahmen getroffen, damit sich die Feuerwehrleute nicht gegenseitig anstecken können?
Wir schauen natürlich, dass wir keinen anhusten, aber der Kontakt lässt sich im Einsatz nicht komplett vermeiden – vor allem bei der Anfahrt im Einsatzfahrzeug und auf dem Rückweg. Wir versuchen aber, während dem Einsatz, eine Gruppenbildung zu vermeiden und die Einsatzkräfte schnell zu verteilen.